Keine einfache Wahl
- Wahlprüfsteine 2023
Die Antworten der Parteien
Mit dem Versand der Wahlprüfsteine, sprich: zehn gezielter Fragen an die Parteien, die aktuell in Fraktionsstärke in der Bremischen Bürgerschaft vertreten sind, war Anfang des Jahres bereits klar: Es wird unmöglich sein, die Antworten so aufzubereiten, dass auf dem ersten Blick eine echte Entscheidungshilfe für den Wahltag am 14. Mai dabei herauskommt. Zu komplex sind die relevanten Themen, wahlweise zu unterschiedlich oder auch zu ähnlich sind die Antworten ausgefallen. Und manchmal wurde eine Frage inhaltlich auch gar nicht wirklich beantwortet. Architektenkammer Bremen (AKHB) und Ingenieurkammer Bremen (IKHB) haben in diesem Jahr getrennte Wahlprüfsteine formuliert, die inhaltlich allerdings eng von den Kammervorständen abgestimmt wurden. Die Kommunikation erfolgt daher gemeinsam und zusammengefasst.
Aufschlussreiche Lektüre
Die Lektüre der Parteiantworten ist interessant und aufschlussreich. Alle fünf Parteien betonen in ihren Antworten immer wieder ihr Engagement für den Klimaschutz, selbst wenn die Frage in eine ganz andere Richtung abzielte. Das Thema ist parteiübergreifend relevant, ja ein erkennbares Wahlkampfthema geworden. Ähnliches gilt für die Digitalisierung der (Bau)Verwaltung: großes Potential wird von allen Parteien gesehen, das Spektrum der Gründe öffnet sich allerdings bei der Begründung: Von Effizienz ist die Rede, von Maßnahme gegen Fachkräftemangel bis hin zu mehr Bürgerfreundlichkeit. Digitalisierung und deren Intuition bleibt vorerst eine politische Geschmacksfrage.
Festzuhalten ist aber auch: Die Parteien haben sich ernsthaft mit den Themen, die Architekt:innen und Ingenieur:innen aller Fachrichtungen bewegen, auseinandergesetzt. Und das war schließlich auch ein Ziel der Wahlprüfsteine: Themen bei den Entscheidern (m/w/d) platzieren.
Dass dies notwendig ist, zeigen beispielsweise die Antworten auf die Frage 2 der AKHB nach dem „Gebäudetyp E“, einem Konzept zur Stärkung des einfachen und experimentellen Bauens durch die Möglichkeit, privatrechtlich geschuldete Regeln der Technik wirksam aus der Beauftragung der Planenden auszuschließen. Trotz deutlicher Kommunikation durch die Kammern hat keine Partei eine konkrete Antwort dazu gegeben, Überregulierung wird aber durchweg kritisch bewertet. Die Grünen sagen immerhin eine Prüfung des Konzepts zu.
Nicht überraschend ist, dass die aktuellen Regierungsparteien tendenziell die Erfolge der letzten vier Jahre hervorheben oder aber ausweichend antworten, die Oppositionsparteien zumindest gelegentlich gegenteilig reagierten.
Ein stark verkürztes Beispiel: Bei der Frage nach der Umsetzungsstrategie zum Verkehrsentwicklungsplan und dessen Fortschreibung (Frage 8 der IKHB) setzt die SPD auf eine Beteiligung der Beiräte, die Grünen auf die mit dem Klimaschutz-Nachtragshaushalt finanzierte Fastlane, die Linken auf eine Ausweitung des natürlich dann kostenfreien ÖPNV-Angebots. Die CDU stellt deutlich fest: die seit Jahren vorhandenen Ideen seien nicht umgesetzt worden. Die FDP fordert ein Ende der ideologischen Auseinandersetzungen und eine Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmenden.
Welche Partei zur Abmilderung des Fachkräftemangels plant, in der Bremischen Verwaltung als zweite Verwaltungssprache Englisch einzuführen (Frage 6 der IKHB) und viele weitere Positionen können anhand der unten als Download zur Verfügung gestellten Synopsen der Wahlprüfsteine und Antworten entdeckt werden.
Fazit:
Die Parteien setzen – nicht zuletzt aufgrund ihrer Historien und politischen Grundsätze – erwartungsgemäß unterschiedliche Akzente. Durchweg lässt sich aber erkennen, dass qualitative Aspekte wie Nachhaltigkeit und soziale Teilhabe, also das WIE, zunehmend die baupolitische Debatte in Bremen prägen werden. Dass in Bremen viel zu bauen ist, ist unstrittig. Und selbst wenn die Wahl schwerfallen sollte: Nichtwählen ist am 14. Mai keine gute Option.
Die Wahlprüfsteine der IKHB 2023
Alle vier Jahre erarbeitet die Ingenieurkammer Bremen vor der Bürgerschaftswahl Wahlprüfsteine. Die Wahlprüfsteine werden anhand der wichtigsten aktuellen Anliegen des Berufsstandes zusammengestellt und an die in der Bremer Bürgerschaft (in Fraktionsstärke) vertretenen Parteien verschickt. Die Parteien antworten auf die als Fragen formulierten Themen. Ziel ist es, den Mitgliedern der Ingenieurkammer Bremen anhand der Antworten eine Orientierung zu geben, was von den jeweiligen Parteien - im Falle eines Wahlsieges - angestrebt wird.
Anders als in den vorigen Jahren, haben die in Fraktionsstärke in der Bürgerschaft vertretenen Parteien für die kommende Bürgerschaftswahl genaue Vorgaben für die Anzahl der Fragen (max. 10) und Zeichenanzahl (max. 300 Zeichen je Frage) bei den einzureichenden Wahlprüfsteinen gemacht.
Die Ingenieurkammer Bremen bringt sich mit den nachfolgenden Fragestellungen in die Debatte ein und wird selbstverständlich auch die Mitgliedschaft über die Antworten der Parteien informieren. Die Wahlprüfsteine sind in enger Abstimmung mit der Architektenkammer Bremen entstanden, deren Wahlprüfsteine finden Sie hier.
Das sind die Wahlprüfsteine der Ingenieurkammer Bremen:
1. Nachhaltiges Bauen
Die Wertschöpfungskette Bau insgesamt ist unbestritten einer der größten Umweltbeansprucher. CO2-Ausstoß und Abfallproduktion verhalten sich überdurchschnittlich zur Wertschöpfung. Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Klimabilanz des Bauens werden Sie ergreifen?
2. Kreislaufwirtschaft
Das Recycling von Baumaterialien aus dem Rückbau von Bauwerken muss gestärkt bzw. ermöglicht, Downcycling und Deponieren verhindert werden. Wie werden Sie die Forschung und den geltenden Rechtsrahmen zumindest bei der öffentlichen Beschaffung dazu anwenden bzw. weiterentwickeln?
3. Bauunterhaltung/Kontinuierlicher Bauunterhalt (Lebenszyklusplanung)
Der Sanierungsstau an Bremer Schulen und Kitas wurde kürzlich mit rund 700 Mio. € beziffert, auch andere öffentliche Infrastruktur hat Nachholbedarf. Wie wollen Sie erreichen, dass der Stau abgebaut wird und eine kontinuierliche Bauwerksunterhaltung über den gesamten Lebenszyklus stattfindet?
4. Vorbildfunktion
Die öffentliche Hand hat im Rahmen ihres Handelns eine bedeutende Vorbildfunktion für den privaten und gewerblichen Sektor. Wann und wie werden Sie die Fastlane für die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude eröffnen?
5. Förderungen
Förderprogramme bilden den Anreiz und oft genug überhaupt erst die Initialzündung für eine auch wirtschaftlich sinnvolle, energetische Sanierung von Gebäuden. Welche Förderprogramme/Fördermechanismen für energetische Sanierung wollen Sie auf Landesebene umsetzen?
6. Fachkräftemangel
Fachkräftemangel ist ein wesentlicher Hemmschuh in der Umsetzung der Klimaneutralität. Wie wollen Sie den Hochschulstandort Bremen weiter attraktivieren und mehr hochqualifizierte Planende dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen?
7. Handlungsfähigkeit der Verwaltung
Die Umsetzung der anstehenden Bauaufgaben (Umsetzung Klimaneutralität, Schaffung von Wohnraum) benötigt erhebliche Kapazitäten auf Behördenseite. Welche Potentiale sehen Sie in der Digitalisierung der Verwaltung und in der Fremdvergabe bestimmter Leistungen?
8. Mobilität/VEP
Die Teilfortschreibung des Verkehrsentwicklungsplans ist abgeschlossen, noch bevor eine deutliche Anzahl an Maßnahmen aus dem VEP von 2014 umgesetzt wurde. Welche Umsetzungsstrategie, welche Umsetzungsziele und welche Prioritäten verfolgen Sie?
9. Vergaberecht
Wir setzen uns für eine mittelstandsfreundliche Vergabestrategie bei Planungsleistungen ein. Bei zunehmenden ÖPP-/TÜ-/GÜ-/IPA-Verfahren kommen regionale, mittelständische Planungsbüros kaum noch zum Zug. Wie wollen Sie die regional tätigen, mittelständischen Planungsbüros unterstützen?
10. HOAI
Auskömmliche Honorare sind notwendig für die Planung von nachhaltigen, gut gestalteten und funktionalen Bauwerken. Im Bund wird eine Novelle der HOAI erarbeitet. Dabei stehen Anpassungen der Leistungsbilder und der Honorare an. Wie werden Sie auskömmliche Honorare für Planungsleistungen absichern?